Schauplatz des neuesten Buches des georgischen Autors Abo Iaschaghaschwili ist die Altstadt der georgischen Hauptstadt Tiflis im ausgehenden 19. Jahrhundert. Rund um den jetzigen Freiheitsplatz und dem Bäderviertel ist nach der weitgehenden Zerstörung durch die persische Armee im Jahre 1795 die mittelalterliche Stadtstruktur mit den gewundenen Gässchen und Straßen sowie dem Kopfsteinpflaster weitgehend wieder aufgebaut worden. In diesem Schmelztiegel von orientalischer und europäischer Kultur, mit vielen Volksgruppen und zahlreichen Sprachen, wird auf dem muslimischen Friedhof die Leiche eines kopflosen Mannes gefunden. Anhand einer Tätowierung kann er vom russischen Polizisten Chripli und dem beim Fund ebenfalls anwesenden Franzosen Louis Albré sowie dem Iren O´Hara identifiziert werden. „Ein Tiger im Keller“ ist die sechste Ausgabe einer Reihe, die Autor Abo Iaschaghaschwili dem historischen Tiflis widmet. Diese drei Protogonisten treten darin in unterschiedlichen Rollen auf.
Tätowierungen – ist dem historischen Kriminalroman zu entnehmen – waren in damaligen Tiflis sehr beliebt. Mit den Karawanen kamen nicht nur Waren, sondern auch Tätowierungen. Auf dem „Teufelsmarkt“ (Schaitan- Basar) im Bäderviertel war genau diese Tätowierung, die den Oberkörper der Leiche zierte, berüchtigt: sie stellt Tariel dar, wie er den Tiger tötet. Tariel ist die Hauptfigur im georgischen Nationalepos „Recke im Tigerfell“ von Schota Rustaveli. An einer anderen Stelle des Romans sieht Louis Albré einen jungen Burschen am Eingang des Bades mit nacktem Oberkörper. Darauf eine Tätowierung, wo Rostam den Dämon entzwei säbelt. Eine Szene aus dem Nationalepos der persisch sprachigen Welt „ Buch der Könige“.
Im Genre „historischer Roman“ spielt die Handlung zwar in einer historischen Zeit, als fiktionale Prosa können jedoch geschichtliche Vorgänge und Personen ohne zwangsläufigen Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit in belletristischer Form behandelt werden. So tritt bei Abo Iaschaghaschwili zum Beispiel der deutsche Forschungsreisende Gustav Radde auf, der 1867 das Kaukasische Museum in Tiflis begründet und bis zu seinem Tod im Jahre 1903 geleitet hat. Im Roman wird von einem Archäologen Kongress berichtet. Dieser fand Im Jahr 1881 statt. Anwesend waren neben zahlreichen russischen auch österreichischen und deutschen Wissenschaftler (u. a. Rudolf Virchow). Dem Autor Abo Iaschaghaschwili gelingt es auf knapp 144 Seiten ein buntes und lebendiges Bild der damaligen Zeit zu zeichnen, mit einer Vielzahl an geschichtlichen und literarischen Bezügen. Eingebettet darin ist die Ermittlungsarbeit von Chripli, Albré und O´Hara. Bis zum Schluss gibt es Spannung pur, was die Lösung des Falles betrifft.
Hilfreich sind dabei die Anmerkungen des Autors und die der Übersetzerin Rachel Gratzfeld am Ende des Buches zu Tifliser Örtlichkeiten und Gegebenheiten. Für eine Neuauflage wäre eine Karte der Altstadt von Tiflis eine zusätzliche Orientierung.